Ausgabe Nr. 07 | 2021 
Bericht aus Brüssel
Liebe Leserinnen und Leser,
 
anbei erhalten Sie die aktuelle Ausgabe des Newsletters "InfoRecht". Enthalten sind aktuelle Nachrichten aus dem Wirtschaftsrecht.
 
Viel Spaß beim Lesen,
 
RAin Doris Möller
Inhalt
Privates Wirtschaftsrecht
Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren verkündet
Verstöße gegen Produktsicherheitsvorschriften von Onlineplattformen
„Gesetz für faire Verbraucherverträge“ verabschiedet
Gesetz zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie verabschiedet und verkündet
Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen verabschiedet und veröffentlicht
Modernisierung des Personengesellschaftsrechts verabschiedet
Änderung des Stiftungsrechts
Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie
Änderungen für Genossenschaften im Rahmen der Änderung des sog. Covid19-Pandemie-Gesetzes
BaFin: Hinweis für Unternehmen, die der Aufsicht unterliegen, zur Beschränkung der Dauer des Abschlussprüfermandats
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Finanzanlagenvermittler Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität; Erlaubnispflicht nach § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GewO für Vermittlung von Edelmetallen
IHKG-Änderung passiert den Bundesrat
Eintragungspflicht für alle Gesellschaften im Transparenzregister beschlossen
Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht
Plattformenhaftung für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer
China verabschiedet "Anti-Sanktionsgesetz"
Neue Regeln für internationale Besteuerung von Unternehmen - 130 Länder beschließen Eckpunkte
Trilog zur Erweiterung der Aarhus-Verordnung: vorläufige Einigung
Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung und -Leitlinien – EU-Kommission veröffentlicht Entwurf zur Stellungnahme
Datenökonomie: EU-Kommission konsultiert zum geplanten „Data Act“
Zusätzliche Newsletter
Veröffentlichung
KfW-Innovationsbericht: Innovationsaktivitäten im Mittelstand sinken
Privates Wirtschaftsrecht
Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren verkündet
Das Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren wurde im Bundesgesetzblatt vom 09.06.2021, Seite 1423ff., verkündet und ist am 10.06.2021 in Kraft getreten (vgl. Art. 12). Das Gesetz ermöglicht die elektronische Begebung von Schuldverschreibungen und die elektronische Begebung von Anteilsscheinen. Es enthält spezielle Regelungen über den Erwerb und die Übertragung elektronischer Wertpapiere (Zentralregisterwertpapier, Kryptowertpapier). Elektronische Wertpapiere sind wie Sachen zu behandeln. Die Wertpapierurkunde wird bei elektronischen Schuldverschreibungen und Anteilsscheinen durch die Eintragung in ein Wertpapierregister ersetzt. Als Wertpapierregister gelten künftig zentrale Wertpapierregister sowie sog. Kryptowertpapierregister. Für die Emittenten besteht nunmehr ein Wahlrecht, ob sie Wertpapiere mittels Urkunde oder auf elektronischem Wege emittieren wollen.
 
Die Verordnungsermächtigung in § 23 des Gesetzes über die Einführung elektronischer Wertpapiere gibt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem Bundesministerium der Finanzen die Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung für Kryptowertpapierregister. Neben Erlass des eigenständigen Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren wurden die Börsenzulassungsverordnung, das Wertpapierprospektgesetz, das Depotgesetz, das Schuldverschreibungsgesetz, das Kreditwesengesetz, die Prüfberichtsverordnung, das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, die Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, das Kapitalanlagegesetzbuch und das Pfandbriefgesetz geändert.
 
Verstöße gegen Produktsicherheitsvorschriften von Onlineplattformen
Das OLG Frankfurt a. M. hat mit Urteil v. 24.06.2021 (Az. 6 U 244/19) entschieden, dass der Betreiber eines Online-Marktplatzes nach dem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung zu Produktsicherheitsvorschriften das konkrete Angebot eines Händlers unverzüglich sperren muss. Darüber hinaus muss Vorsorge getroffen werden, dass es möglichst nicht zu weiteren Verstößen des beanstandeten Händler-Accounts kommt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
 
Hintergrund der Entscheidung ist ein Fall von Ebay. Auf deren Verkaufsplattform wurden Schwimmhilfen aus China für Kinder vertrieben, die weder ein CE-Kennzeichen noch einen Herstellerhinweis bzw. sonstige notwendige Sicherheitsinformationen aufwiesen. Trotz mehrfacher Hinweise auf diese rechtswidrigen Angebote und der Aufforderung, diese für den Vertrieb nicht mehr zur Verfügung zu stellen, blieb das Angebot bestehen.
 
Das OLG Frankfurt a. M. befand, dass Ebay durch das Nichttätigwerden für diese Verstöße verantwortlich sei und Angebote unverzüglich sperren müsse, wenn die Plattform - wie hier - auf klare Rechtsverletzungen hingewiesen wurde (sog. „notice and take down“-Prinzip). Ebay treffe jedenfalls bei der Verletzung von Produktsicherheitsvorschriften die Verpflichtung, auch zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Durch das „gefahrerhöhende Verhalten“ bestehe eine „Erfolgsabwendungspflicht“. Die daraus folgenden Prüfungspflichten seien zumutbar, da die Produkte leicht identifizierbar seien. Die Verpflichtung führe auch nicht zu einer Gefährdung oder unverhältnismäßigen Erschwerung des Geschäftsmodells von Ebay. Es könnten vielmehr durch Einsatz von Filtersoftware die Accounts ermittelt werden, auf denen diese rechtsverletzenden Schwimmhilfen-Angebote eingestellt sind und bei denen in der Vergangenheit rechtsverletzende Angebote bereits angezeigt wurden.
 
Nicht zumutbar wäre allerdings die Überprüfung, ob die Kennzeichnung zu Recht angebracht und die Sicherheitsanforderungen tatsächlich erfüllt wurden. Dies sei jedoch auch nicht streitgegenständlich, so das Gericht.
 
Die vollständige Entscheidung soll in Kürze unter www.nv.hessenrecht.hessen.de abrufbar sein.
 
„Gesetz für faire Verbraucherverträge“ verabschiedet
Das Gesetz sieht Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch vor, um Bürgerinnen und Bürger besser vor telefonisch aufgedrängten Verträgen, überlangen Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen zu schützen, zum Beispiel bei Verträgen mit Fitnessstudios, Online-Partnerbörsen, Gas- und Stromlieferanten oder Zeitungs-Abos. Für Telefonwerbung für Energielieferverträge gilt die Bestätigungslösung.
 
Folgende Änderungen sind hervorzuheben:
• Verträge müssen nach Ablauf der Mindestlaufzeit monatlich kündbar sein. Die Kündigungsfrist, um eine automatische Verlängerung eines befristeten Vertrags zu verhindern, wird von derzeit drei auf einen Monat verkürzt.
• Kündigungsbutton: Verträge, die über eine Website abgeschlossen wurden, sind künftig auch online kündbar – und zwar über eine so genannte Kündigungsschaltfläche, die leicht zugänglich und gut sichtbar auf der Internetseite des Vertragspartners platziert sein muss. Erfüllt der Unternehmer die Voraussetzungen dafür nicht, kann ein Verbraucher einen Vertrag jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.
• Bestätigungslösung für Energielieferverträge: Lieferverträge für Strom und Gas soll man nicht mehr allein am Telefon abschließen können. Damit ein telefonisch abgeschlossener Vertrag wirksam wird, muss er künftig "in Textform", also zum Beispiel per E-Mail, SMS oder auch als Brief oder Fax bestätigt werden. Zugleich wird darüber hinaus das Textformerfordernis auch auf die Kündigung solcher Verträge erweitert.
• Dokumentationspflicht bzgl. der Einwilligung in Telefonwerbung: Unternehmen müssen zudem künftig die Einwilligung der Verbraucher in Telefonwerbung dokumentieren und aufbewahren. Dadurch soll die Bundesnetzagentur unerlaubte Telefonwerbung effizienter ahnden können.
• Künftig sind außerdem Abtretungsausschlüsse, die Unternehmen in ihren AGB für Geldansprüche von Verbrauchern gegen sie formulieren, unwirksam.
 
Die zugehörige Drucksache finden Sie hier. Der Gesetzentwurf, BT-Drs. 19/26915, wurde mit den Empfehlungen des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 19/30840, angenommen. Das Gesetz tritt zu großen Teilen sieben Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
 
Gesetz zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie verabschiedet und verkündet
Das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags, das der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie dient, ist im Bundesgesetzblatt, Teil I vom 30.06.2021, Seite 2133ff. veröffentlicht worden.
 
Die Warenkaufrichtlinie ersetzt die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und zielt auf ein hohes Verbraucherschutzniveau ab. Neben einer weitgehenden Vollharmonisierung ist vor allem neu, dass der Sachmangelbegriff und die Gewährleistungsregeln nunmehr auch spezifisch auf Waren mit digitalen Inhalten (z. B. Smart TV, Smartwatch) abzielen.
 
Einige wichtige Änderungen seien genannt:
• der Mangelbegriff in § 434 BGB wird geändert. Die Mangelfreiheit erfordert danach künftig die Einhaltung von subjektiven und objektiven Anforderungen. Daneben werden Anforderungen an die Montage, bei Waren mit digitalen Inhalten an die Installierbarkeit geregelt (§ 475b Abs. 2).
• Abweichungen von den objektiven Anforderungen sind bei Verbrauchergeschäften nur wirksam zu vereinbaren, wenn der Verbraucher vor Abgabe der Willenserklärung eigens darüber in Kenntnis gesetzt und dies im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart worden ist (§ 476 Abs. 1).
• Update-Verpflichtung bei digitalen Inhalten: Der Verkäufer muss Updates für digitale Elemente vorhalten.
• Die Voraussetzungen für den Rücktritt und die Minderung werden gesenkt.
• Bei gebrauchten Sachen soll wieder eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr zugelassen werden. Allerdings werden die formellen Voraussetzungen für eine entsprechende Vereinbarung erheblich erhöht.
• Nach § 479 Abs. 3 BGB muss eine Garantie künftig mindestens den Umfang des gesetzlichen Nacherfüllungsanspruchs haben. Die Regelung beruht ebenfalls auf der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie.
 
Die Drucksache zu dem Gesetz finden Sie hier. Die Richtlinie war bis zum 21.07.2021 in nationales Recht umzusetzen und gilt für Verträge ab 01.01.2022. Für vorher abgeschlossene Verträge sieht das EGBGB eine Übergangsvorschrift vor.
 
Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen verabschiedet und veröffentlicht
Bundestag und Bundesrat haben in ihren Sitzungen vom 24. und 25.06.2021 auch den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen beschlossen. Die Regelungen gelten für Verbraucherverträge - also Verträge zwischen Unternehmen und Verbraucher. Sie beziehen sich auf die Bereitstellung digitaler Inhalte, wie zum Beispiel Software und E-Books, wie auch digitaler Dienstleistungen, wie zum Beispiel Videostreaming und soziale Netzwerke.
 
Kernstück der neuen Regelungen ist ein Mängelrecht für Verträge über digitale Inhalte oder Dienstleistungen, die zusammen als „digitale Produkte“ bezeichnet werden. Verbraucher erhalten hiernach künftig umfassende Gewährleistungsrechte, wie sie das BGB bislang z. B. bei Kauf-, Werk- und Mietverträgen kennt. Neu ist auch die Pflicht, dass Aktualisierungen – also funktionserhaltende Updates und Sicherheitsupdates – vom Unternehmen bereitzustellen sind, damit die digitalen Produkte vertragsgemäß bleiben. Die Regelungen sind sowohl anzuwenden, wenn Verbraucher für digitale Produkte einen Preis zahlen, als auch, wenn sie neben oder an Stelle der Zahlung personenbezogene Daten bereitstellen. Die neuen Vorschriften, die in einem neuen Titel im Allgemeinen Schuldrecht (§§ 327 ff) geregelt sind, finden ab dem 01.01.2022 Anwendung. Die Verkündung erfolgte im Bundesgesetzblatt, Teil I vom 30.06.2021, Seite 2123ff..
 
Modernisierung des Personengesellschaftsrechts verabschiedet
Der Deutsche Bundestag hat in seiner letzten Sitzungswoche die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts auf den Weg gebracht, die Empfehlungen des Rechtsausschusses des Bundestages (BT-Drs. 19/30942) wurden angenommen. Die gesetzlichen Änderungen werden im Wesentlichen erst zum 01.01.2024 in Kraft treten. Der Bundesrat hat sich bereits am 25.06.2021 mit dem Gesetz befasst, so dass es in Kürze ausgefertigt und verkündet werden kann.
 
Das Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz gestaltet die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Grundform der Personengesellschaften aus. Neben der nicht rechtsfähigen GbR wird es künftig eine rechtsfähige sowie eine rechtsfähige, im Gesellschaftsregister registrierte GbR geben. Die Registrierung einer GbR ist vorgesehen, soweit diese selbst Gesellschafter an einer anderen Personengesellschaft, GmbH oder AG ist bzw. wird. Dies gilt auch bei Grundstückserwerb.
 
Der Bundestag hat u. a. eine Vermutungsregelung zur Einordnung einer GbR als rechtsfähige GbR in § 705 Abs. 3 BGB aufgenommen, sowie Klarstellungen beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer GbR zur Geschäftsführungsbefugnis und zur Nachhaftung vorgenommen. Ergänzend aufgenommen wurden Änderungen in Art. 36 zum Einführungsgesetz zur InsO zur Anwendung von § 15b InsO, sowie in Art. 46 zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung, die sich auf die Aufnahme des Gesellschaftsregisters in den Regelungsbereich der Handelsregistergebührenverordnung bezieht, so dass die Gebühren auch für das Gesellschaftsregister Anwendung finden. Im Handelsgesetzbuch wurden u. a. Klarstellungen zur Rechtsfähigkeit von OHG und KG, zur Einberufung der Versammlung, zur Nachhaftung und Haftung vor Eintragung sowie zur Insolvenz der Kommanditgesellschaft vorgenommen.
 
Am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt werden die Verordnungsermächtigungen sowie die Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung, welche die Anwendung von § 15b InsO regelt, in Kraft treten.
 
Änderung des Stiftungsrechts
Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist mit einigen Klarstellungen durch den Bundestag verabschiedet worden. Das Stiftungszivilrecht wird in §§ 80 ff. BGB gebündelt und soll zum 01.07.2023 in Kraft treten. Die neuen Regelungen eröffnen gewisse Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Änderung der Stiftungssatzung und zur Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen. Das zentrale Stiftungsregister mit Publizitätswirkung soll Transparenz schaffen und vom Bundesamt der Justiz geführt werden.
 
Im Vergleich zum Regierungsentwurf wurden einige Klarstellungen und Ergänzungen, u. a. zur Umschichtung des Grundstockvermögens, zur Satzungsgestaltung und zur Zulegung durch den Gesetzgeber verabschiedet. Die Regelungen zum Stiftungsregister werden zum 01.01.2026 in Kraft treten. Die Verordnungsermächtigung für nähere Bestimmungen zur Einrichtung, insbesondere der technischen Ausgestaltung, und zur Führung des Stiftungsregisters, zu den Anmeldungen zum Stiftungsregister und zur Auskunft aus dem Stiftungsregister tritt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft. Der Beschluss des Bundestages, BR-Drs. 569/21, ist hier abrufbar.
 
Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie
Der Bundestag hat den Gesetzentwurf mit den Empfehlungen des Rechtsausschusses verabschiedet. Zudem hat der federführende Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in der Begründung der Beschlussempfehlung gefordert, dass die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode Vorschläge vorlegt, damit das notarielle Online-Verfahren für Beglaubigungen sowie für weitere Beurkundungen ausgeweitet werden kann.
 
Im Vergleich zu dem Regierungsentwurf hat der Bundestag u. a. folgende zusätzliche Änderung verabschiedet: Die im Regierungsentwurf den Genossenschaften eröffnete Möglichkeit des Online-Beglaubigungssystems wurde gestrichen, vgl. u. a. § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB. Da dies über die 1:1-Umsetzung der Richtlinie hinausgegangen wäre, wäre eine Notifizierung gegenüber der EU-Kommission erforderlich gewesen.
§ 9 Abs. 1 Satz 1 HGB wurde ergänzt. So soll sichergestellt werden, dass ein Massenabruf von Registerdaten zu anderen hiervon nicht umfassten Zwecken, insbesondere einer kommerziellen Weiterverwendung der in den Registern enthaltenen personenbezogenen Daten, verhindert wird. Auch § 52 HRV wurde geändert. Der neu eingefügte Satz 2 regelt die technischen Vorgaben für den einzelnen Abruf sowie den Ausschluss der gezielten Suche nach natürlichen Personen im Register zum Schutz der personenbezogenen Daten der Betroffenen. Eine gezielte Suche nach der Firma eines Rechtsträgers, die gegebenenfalls personenbezogene Daten einer natürlichen Person enthält, ist dadurch nicht ausgeschlossen.
 
Mit der Änderung in § 340m Abs. 2 HGB werden Wertpapierinstitute, wenn sie zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses verpflichtet sind, nicht nur bei den durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz geänderten Bußgeldvorschriften des § 340n Abs. 2a HGB, sondern auch bei den an die Handlungen des § 340n Abs. 2a HGB anknüpfenden Strafvorschriften des § 340m Abs. 2 HGB berücksichtigt.
 
In § 16 Abs. 3 Justizverwaltungskostengesetz wird der Kostenschuldner für die Gebühr, mit der das Verfahren der Registrierung eines Nutzers nach § 3 Abs. 2 und 3 URV abgegolten werden soll, definiert. In der Gebührentabelle wird u. a. eine neue, gestaffelte Gebühr für die Identifizierung bei Registrierung im Unternehmensregister (URV), vgl. Ziffer 1441) vorgesehen. Zu den weiteren verabschiedeten Änderungen im Vergleich zum Regierungsentwurf vgl. bitte den Beschluss des Bundestages.
 
Der Bundesrat hat in seinem Beschluss vom 25.06.2021 keinen Antrag gestellt.
 
Das Gesetz wird voraussichtlich im Juli im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.
 
Änderungen für Genossenschaften im Rahmen der Änderung des sog. Covid19-Pandemie-Gesetzes
Das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG), erlassen im März 2020, enthält in § 3 zeitlich befristete Regelungen für Genossenschaften u. a. für virtuelle Sitzungen. Diese Sonderregelungen wurden durch Artikel 32 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe, Bundesgesetzblatt Teil I vom 12.07.2021, Seite 2363ff., rückwirkend zum 28.03.2020 – konkretisiert, vgl. Art. 36 Abs. 3.
 
Die Regelung für schriftlich oder elektronisch gefasste Beschlüsse der Mitglieder in § 3 Abs. 1 wird modifiziert. Auch wenn die Satzung keine Regelungen zu schriftlichen oder elektronischen Beschlussfassungen einschließlich zu virtuellen Versammlungen enthält, sind schriftliche oder elektronisch gefasste Beschlüsse der Mitglieder zulässig. Die elektronische Beschlussfassung schließt Beschlussfassungen in Gestalt von virtuellen Generalversammlungen ohne physische Präsenz der Mitglieder ein, vgl. die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1. Satz 3 ergänzt den Vermerk zur Art der Stimmabgabe. Die Sonderregelungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 bis 4 sollen ohne entsprechende Regelungen in der Satzung für virtuelle Vertreterversammlungen ohne physische Präsenz der Vertreter ebenfalls zulässig sein. Vgl. hierzu die Formulierungen im o. g. Gesetz. Die Änderungen bzw. Konkretisierungen sind aufgrund der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 26.03.2021 (Beschluss v. 26.03.2021, Az. 1 W 4/21 (Wx)) zur Unzulässigkeit von virtuellen General- oder Vertreterversammlungen einer Genossenschaft erforderlich geworden.
 
BaFin: Hinweis für Unternehmen, die der Aufsicht unterliegen, zur Beschränkung der Dauer des Abschlussprüfermandats
Das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) vom 03.06.2021 (BGBl. I S. 1534) enthält u. a. auch neue Vorgaben für Unternehmen, die zwar nicht der Definition als Unternehmen von öffentlichem Interesse (§ 316a HGB) unterfallen, jedoch unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stehen. Die Dauer des Mandats des Abschlussprüfers ist für diese Unternehmen besonderen Vorgaben unterworfen und ist auf in der Regel nicht länger als elf aufeinanderfolgende Geschäftsjahre beschränkt. Unternehmen, für welche die geänderten Regelungen von § 23 Abs. 1 Satz 3 ZAG, § 36 Abs. 1 Satz 3 VAG und § 28 Abs. 1 Satz 3 KWG Anwendung finden, sollten sich rechtzeitig mit der Beschränkung der Bestellung ihrer Abschlussprüfer befassen. Die geänderten Regelungen finden ab 01.01.2022 Anwendung, vgl. Art. 27 Abs. 2 FISG.
 
Link zu den Hinweisen der BaFin:BaFin-Homepage.
 
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Finanzanlagenvermittler Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität; Erlaubnispflicht nach § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GewO für Vermittlung von Edelmetallen
Im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 1534) wurde das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) vom 03.06.2021 verkündet. Durch Artikel 3 des Gesetzes wird § 1 Abs. 2 des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) um eine weitere Nummer 8 ergänzt. Danach werden bestimmte Anlageprodukte von Edelmetallanbietern und Edelmetallverwahrern als Vermögensanlagen eingestuft. Die Vermittlung solcher Finanzanlageprodukte unterfällt der Erlaubnispflicht nach § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GewO. Gemäß Artikel 26 Abs. 4 des Gesetzes wurde die Übergangsregelung in § 157 GewO um einen neuen Absatz 8 ergänzt. Danach besteht die gewerberechtliche Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Vermögensanlagen nach § 1 Abs. 2 Nr. 8 GewO ab dem 01.01.2022. Darüber hinaus wurde auch das Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz vom 03.06.2021 verkündet (BGBl. I S. 1568). Durch Artikel 19 des Gesetzes wird in § 50a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) der Provisionsdeckel für die Vermittlung von Restschuldversicherungen eingeführt. Durch Artikel 22 wird § 34d Abs. 1 Satz 7 GewO entsprechend ergänzt um § 50a VAG. Gemäß Artikel 30 Abs. 6 des Gesetzes treten die Änderungen am 01.01.2022 in Kraft.
 
IHKG-Änderung passiert den Bundesrat
Der Bundesrat hat in seiner Plenumssitzung am 25.06.2021 beschlossen, keinen Einspruch gegen das vom Bundestag am 10.06.2021 beschlossene Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern zu stellen. Damit ist das parlamentarische Verfahren beendet. Die Änderung wird am Tag nach der Bekanntmachung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
 
Eintragungspflicht für alle Gesellschaften im Transparenzregister beschlossen
Der Bundestag hat am 10.06.2021 das Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz (TraFinG Gw) beschlossen, der Bundesrat hat am 25.06.2021 keinen Einspruch eingelegt. Das Gesetz ist im BGBl I, S. 2083 ff. veröffentlicht. Mit diesem Gesetz wird das Transparenzregister in ein Vollregister umgewandelt. Damit werden alle Gesellschaften ab dem 01.08.2021 eintragungspflichtig. Es gelten Übergangsfristen.
 
Mit dem Gesetz wird das bisherige deutsche System des Auffangregisters auf ein Transparenz-Vollregister umgestellt. Alle Gesellschaften sind danach verpflichtet, ihren wirtschaftlich Berechtigten nicht nur zu ermitteln, sondern dem Transparenzregister zur Eintragung mitzuteilen. Das Register enthält damit umfassendere Datensätze zu den wirtschaftlich Berechtigten in einem strukturierten einheitlichen Format.
 
Die Umwandlung in ein Vollregister bedeutet, dass die bisherige Mitteilungsfiktion des § 20 Abs. 2 GwG aF nicht mehr gilt. Alle Unternehmen müssen daher künftig die Angaben zu ihrem wirtschaftlich Berechtigten in das Transparenzregister eintragen, unabhängig davon, ob sich diese Angaben bereits aus anderen öffentlichen Registern (z. B. Handels-, Genossenschafts-, Partnerschaftsregister) ergeben. Unternehmen, die bisher von der Mitteilungsfiktion profitiert haben, müssen sich innerhalb der Übergangsfristen (§ 59 Abs. 8 GwG n.F.) im Transparenzregister eintragen.
 
Diejenigen Unternehmen, bei denen schon bisher die Mitteilungsfiktion nicht galt, z. B. weil die Gesellschafterlisten im Handelsregister nicht elektronisch abrufbar waren, müssen sich unverzüglich im Transparenzregister eintragen; für sie gelten die Übergangsfristen nicht.
 
Weitere Informationen finden Sie auf der DIHK-Homepage unter
Transparenzregistereintrag bald für (fast) alle Unternehmen Pflicht (dihk.de)
 
Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht
Plattformenhaftung für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer
Mit Urteil v. 22.06.2021 (C 682/18 und C 683/18) hat der EuGH festgestellt, dass beim jetzigen Stand des Unionsrechts Betreiber von Internetplattformen selbst grds. keine öffentliche Wiedergabe der von Nutzern rechtswidrig hochgeladenen, urheberrechtlichen Inhalte vornehmen. Dies gilt jedoch nur, soweit sie nicht über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus zu Urheberrechtsverletzungen beitragen, z. B. durch Auswahl der Inhalte, Kenntnis u. a.
 
Eine öffentliche Wiedergabe wäre daher zu bejahen, wenn die Plattformen weitere Gesichtspunkte wie ein Kennen oder Kennenmüssen der rechtsverletzenden Inhalte erfüllen, an der Auswahl der geschützten Inhalte beteiligt sind oder ein solches Teilen wissentlich fördern.
 
Hintergrund des Vorabentscheidungsverfahrens sind zwei Fälle, die derzeit vor dem Bundesgerichtshof verhandelt werden. Der Musikproduzent Frank Peterson war wegen hochgeladener Konzertmitschnitte gegen YouTube vorgegangen, zudem liegt ein Verlag mit der Plattform Uploaded im Rechtsstreit. Dabei ging es um die Frage, ob durch die Plattformen in den vorgelegten Fallgestaltungen selbst eine „öffentlichen Wiedergabe“ erfolgt, für die sie haftbar wären.
 
Ab dem 01.08.2021 treten in Deutschland aufgrund der Umsetzung der EU- Urheberrechts-Richtlinie allerdings neue Regeln zum Umgang mit geschützten Inhalten durch das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG), in Kraft. Künftig werden Plattformbetreiber in die Haftung genommen, wenn Internetnutzer urheberrechtlich geschützte Werke wie Bilder, Texte oder Videos unerlaubt hochladen. Dies kann durch Abschluss von entsprechenden Lizenzverträgen durch die Plattformen vermieden werden.
 
Den Volltext des EuGH-Urteils finden Sie hier.
 
China verabschiedet "Anti-Sanktionsgesetz"
Am 10.06.2021 hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses Chinas (NVK) das "Gesetz der VR China zur Abwehr ausländischer Sanktionen" verabschiedet. Das Gesetz ist sofort in Kraft getreten.
 
Das Gesetz zielt darauf ab, Chinas rechtliche Instrumente zum Schutz vor möglichen Auswirkungen ausländischer Gesetze und Sanktionen zu erweitern. Zuvor hatte das Handelsministerium (MOFCOM) zwei Maßnahmen erlassen: Die MOFCOM-Verordnung Nr. 4 aus dem Jahr 2020 zu den Bestimmungen über die "Unreliable Entity List" und die MOFCOM-Verordnung Nr. 1 aus dem Jahr 2021 zu den Regeln zur Bekämpfung der ungerechtfertigten extraterritorialen Anwendung ausländischer Gesetze und anderer Maßnahmen ("Blocking Statute"). Letztere ermächtigt chinesische Kläger, ausländische Unternehmen auf Schadensersatz zu verklagen.
 
Das neue Gesetz bildet eine Grundlage für diese Verordnungen des MOFCOM. Zudem ermächtigt das Gesetz chinesische Behörden, Unternehmen und Personen auf eine schwarze Liste zu setzen. Denjenigen, die auf dieser schwarzen Liste stehen, kann die Einreise nach China verweigert oder sie können abgeschoben werden, wenn sie sich in China aufhalten, ihr Vermögen und ihr Eigentum kann eingefroren oder es ihnen verboten werden, mit chinesischen Personen und Organisationen zusammenzuarbeiten. Alle von den Behörden auf Basis dieses Gesetzes getroffenen Entscheidungen sind endgültig und können weder von den Behörden noch von den Gerichten überprüft werden.
 
Das Gesetz verlangt von chinesischen Staatsangehörigen und Organisationen, dass sie offizielle Gegenmaßnahmen ergreifen, und ermächtigt sie darüber hinaus, Organisationen und Einzelpersonen zu verklagen, die als Kollaborateure oder Unterstützer ausländischer Sanktionen gelten - nicht nur, um Verstöße zu unterbinden, sondern auch, um Schadenersatz zu verlangen.
 
Bei Fragen steht Frau Veronique Dunai von der AHK China gerne zur Verfügung.
 
Kontaktdaten: dunai.veronique@bj.china.ahk.de | www.china.ahk.de
 
Neue Regeln für internationale Besteuerung von Unternehmen - 130 Länder beschließen Eckpunkte
Nach einem über fünfjährigen Prozess haben sich 130 Staaten über die wichtigsten Eckpunkte einer Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung verständigt. Im Rahmen eines 2-Säulen-Modelles sollen besonders profitable Unternehmen mit einem Konzernumsatz von mehr als 20 Mrd. Euro einen größeren Anteil an Steuern in solchen Staaten zahlen, in denen ihre (End)Kunden sitzen.
 
Das soll vor allem – anders als derzeit – auch dann gelten, wenn sie in den betreffenden Staaten gar nicht physisch präsent sind, wie z. B. mit einer Betriebsstätte. Zudem wurde eine internationale Mindestbesteuerung von 15 % vereinbart. Konkrete Details und ein Umsetzungsplan sollen bis Ende Oktober 2021 ausgearbeitet werden. Neun Staaten, darunter Estland, Ungarn, Irland und Nigeria, haben Vorbehalte angemeldet.
 
Die Finanzverwaltungen von 139 Staaten arbeiten zurzeit im Rahmen des sog. Inclusive Framework der OECD an einer Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung, die insbesondere der Internationalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft Rechnung tragen soll. Ziel des avisierten 2-Säulen-Modells ist es, den bevölkerungsreichen Staaten, in denen hohe Umsätze erzielt werden, ein erweitertes Besteuerungsrecht an Unternehmensgewinnen zuzuweisen. Zudem soll der internationale Steuerwettbewerb zwischen den Staaten reglementiert werden, indem Staaten eine zusätzliche Besteuerung auf Gewinne vornehmen können, die im Ausland unterhalb der Grenze der Mindestbesteuerung von 15 % besteuert werden.
 
Mit dem sog. „Statement on a Two-Pillar Solution to adress the Tax Challenges arising from the Digitalisation of the Economy“ (Statement on a Two-Pillar Solution to Address the Tax Challenges Arising From the Digitalisation of the Economy – 01.07.2021 (oecd.org)) vom 01.07.2021 haben sich 130 Staaten des 139 Staaten umfassenden Inclusive Framework (IF) auf die grundlegenden Eckpunkte des 2-Säulen-Modelles verständigt. Bis Oktober 2021 sollen weitere Details ausgearbeitet werden. Neun Staaten (Barbados, Estland, Ungarn, Irland, Kenia, Nigeria, Peru, Saint Vincent und Grenadinen sowie Sri Lanka) haben (noch) nicht ihr Einverständnis erklärt. Zwar ist innerhalb des IF keine einstimmige Annahme erforderlich, jedoch wird eine Umsetzung der neuen Regelungen durch möglichst alle beteiligten Staaten angestrebt. Auf Drängen der USA wurde der Anwendungsbereich von Säule 1 stark modifiziert: So unterliegen nunmehr alle (!) Unternehmensaktivitäten und nicht nur „Consumer facing businesses“ (CFB) bzw. „Automated digital Services“ (ADS) einer Umverteilung der Besteuerungsrechte. Zudem wurde der Schwellenwert von (bislang diskutiert) 750 Mio. Euro Konzernumsatz auf 20 Mrd. Euro (später, nach 7 Jahren: 10 Mrd. Euro) angehoben. Avisiert ist eine Anwendung der Regelungen durch die beteiligten Staaten ab 2023.
 
Streit um Digitalsteuern
Auslöser der OECD-/IF-Arbeiten war die – nach Auffassung von vielen Staaten nur unzureichende – Besteuerung der sogenannten GAFA-Unternehmen. Im Vorgriff einer internationalen Neuausrichtung der Unternehmensbesteuerung hatten bereits einige Staaten wie Frankreich, Spanien und Italien isoliert sog. Digitalsteuern eingeführt, mit denen digital erbrachte Umsätze vom Kundenstaat einer zusätzlichen Gewinn-Besteuerung unterworfen werden. Auf EU-Ebene gibt es vergleichbare Überlegungen.
 
Die USA betrachten jedoch derartige Steuern als einen Verstoß gegen geltende internationale Abkommen – und als einen gezielten Angriff auf US-amerikanische Technologieunternehmen. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai (United States Trade Representative, UStR) hat bereits wegen Verstoßes gegen das WTO-Dienstleistungsabkommen ein sog. „Sec. 301-Verfahren“ eingeleitet und Strafzölle von bis zu 25 % auf bestimmte Warenimporte verhängt. Diese wurden jedoch von der US-Regierung mit Blick auf die laufenden OECD-/IF-Arbeiten ausgesetzt.
 
In der Erklärung der 130 Staaten zum 2-Säulen-Modell wird explizit darauf hingewiesen, dass eine Rückgängigmachung der bislang erhobenen, nationalen Digitalsteuern und ähnlichen Maßnahmen koordiniert werden soll. Der französische Finanzminister Bruno LeMaire hält jedoch nach wie vor an der zusätzlichen Erhebung einer EU-Digital-Levy fest. Hierzu wird die EU-Kommission am 20.07.2021 einen Richtlinienvorschlag veröffentlichen. Ob und inwieweit dieser Konfliktpunkt mit den USA beseitigt wird und inwieweit dieser das OECD-/IF-Projekt scheitern lassen könnte, ist zurzeit nicht absehbar.
 
Trilog zur Erweiterung der Aarhus-Verordnung: vorläufige Einigung
Am 12.07.2021 haben Vertreter*innen der EU-Kommission, des Rates und des EU-Parlaments offenbar bereits eine politische Einigung zu den wichtigsten Punkten der Erweiterung der europäischen Aarhus-Verordnung im Hinblick auf die Überprüfbarkeit von Rechtsakten der EU gefunden. Im Vergleich zum Vorschlag der Kommission kommt es demnach zu teilweisen Änderungen.
 
Die vorläufige Einigung zu den wichtigsten Änderungen der Verordnung sieht laut Mitteilung der Kommission eine Erweiterung der verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verwaltungs- beziehungsweise Rechtsakten auf EU-Ebene durch Privatpersonen und NGOs vor. Diese Zielsetzung rührt unter anderem aus dem Green Deal der Kommission.
 
Laut Mitteilung der EU-Kommission sollen nach Maßgabe der vorläufigen Einigung zunächst NGOs im Umweltbereich und Einzelpersonen entsprechende Überprüfungen beantragen können, wenn deren Rechte verletzt wurden. Ferner sollen auch im öffentlichen Interesse gemeinsam agierende Mitglieder der Öffentlichkeit einen Überprüfungsantrag stellen können, sofern dieser die Unterstützung von mindestens 4000 EU-Bürger*innen aus mindestens fünf EU-Mitgliedstaaten findet. Weiteres Kriterium ist laut Mitteilung der Kommission, dass aus jedem dieser Mitgliedstaaten mindestens 250 Mitglieder der Öffentlichkeit vertreten sein müssen.
 
Ehe die politische Einigung zur Erweiterung der Aarhus-Verordnung in Kraft treten kann, muss diese zunächst noch vom Rat und EU-Parlament formell angenommen werden.
Die Mitteilung der Kommission finden Sie hier.
 
Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung und -Leitlinien – EU-Kommission veröffentlicht Entwurf zur Stellungnahme
Die EU-Kommission hat am 09.07.2021 die Entwürfe der überarbeiteten Vertikal-GVO und der Vertikal-Leitlinien veröffentlicht. Die EU-Konsultation läuft bis zum 17.09.2021.
 
Die Überarbeitung der Vertikal-GVO und der Vertikal-Leitlinien ist ein wichtiges Vorhaben, weil vertikale Vereinbarungen etwa zwischen Anbietern von Waren und Dienstleistungen und ihren Vertriebshändlern in allen Wirtschaftszweigen der EU allgegenwärtig sind. Ziel der Überarbeitung ist es, die Vorschriften an die Marktentwicklungen anzupassen, die die Funktionsweise der Weltwirtschaft in den vergangenen zehn Jahren verändert haben, etwa im Zuge des Wachstums des elektronischen Handels und der Online-Plattformen. Die EU-Kommission fordert alle Interessenträger auf, zu den Entwürfen der überarbeiteten Regelwerke Stellung zu nehmen. Die Beiträge sollen in die neuen Vorschriften einfließen, die am 01.06.2022 in Kraft treten sollen.
 
Die vorgeschlagenen Änderungen
Wie in dem erläuternden Vermerk zum Entwurf der überarbeiteten Vertikal-GVO und Vertikal-Leitlinien ausführlicher dargelegt, zielen die vorgeschlagenen Änderungen darauf ab,
• den in der Vertikal-GVO vorgesehenen geschützten Bereich („Safe Harbour“) an den geänderten Anwendungsbereich der Verordnung anzupassen. Dies betrifft die vier Bereiche zweigleisiger Vertrieb, Paritätsverpflichtungen, Beschränkungen des aktiven Verkaufs und bestimmte indirekte Maßnahmen zur Beschränkung des Online-Verkaufs;
• Interessenträgern aktuelle Orientierungshilfe für ein durch die Zunahme des elektronischen Handels und der Online-Plattformen geprägtes neues Unternehmensumfeld bereitzustellen und eine einheitlichere Anwendung der Vorschriften für vertikale Vereinbarungen in der gesamten EU zu gewährleisten. Insbesondere werden die Anwendung der Vertikal-GVO und der Vertikal-Leitlinien auf Beschränkungen des Online-Verkaufs und von Online-Werbung klarer formuliert und spezifische Regeln und Hinweise für die Plattformwirtschaft eingeführt;
• die Befolgungskosten für die Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, zu senken, indem Bestimmungen, die besonders komplex und schwer umzusetzen sind, vereinfacht und klarer gefasst werden.
 
Weitere Informationen der EU-Kommission finden Sie hier.
 
Zu den Entwürfen der Vertikal-GVO und der Leitlinien gelangen Sie auch im Internet:
 
Entwurf einer überarbeiteten Verordnung über die vertikale Gruppenfreistellung [alle Sprachfassungen]
 
Entwurf überarbeiteter vertikaler Richtlinien [EN-Version] (alle Sprachversionen verfügbar am 06.08.2021)
 
Datenökonomie: EU-Kommission konsultiert zum geplanten „Data Act“
Die EU-Kommission hat eine Konsultation zu dem im 2. Halbjahr 2021 geplanten Data Act veröffentlicht. Die erwogene Initiative zielt darauf ab, den Zugang und die Nutzung von Daten zu erleichtern. Dabei steht insbesondere die B2B- und B2G-Datennutzung mit einer faireren Datenaufteilung zwischen den Akteuren der Datenwirtschaft im Fokus.
 
In der europäischen Strategie für Daten aus dem Jahr 2020 formulierte die EU-Kommission eine Vision für die Datenwirtschaft. Ziel ist es, eine faire Datenwirtschaft zu schaffen, indem der Zugang und die Nutzung für alle Wirtschaftsakteure gewährleistet wird. Das zu diesem Zweck geplante horizontale Datengesetz („Data Act“), soll einen umfassenden, fairen Rechtsrahmen für den Datenaustausch liefern und damit Anreize für die Datenerzeugung schaffen. Unberührt bleiben soll dabei die bestehende Datenschutzgesetzgebung. Im Rahmen des Datengesetzes sind Regelungen sowohl zum B2G-Datenaustausch (Unternehmen zu Öffentlichem Sektor) als auch zum B2B-Datenaustausch vorgesehen
 
In der Konsultation möchte die EU-Kommission herausfinden, welche Probleme im B2B-Datenaustausch (auch im IoT-Bereich) bestehen. Zudem sucht die EU-Kommission nach Möglichkeiten zur Förderung von Fairness in Verträgen, die den Datenzugang und die Datennutzung im B2B-Verkehr regeln. Dabei sollen Vertragsfreiheit und andere anwendbare Regeln (z.-B. DSGVO, Wettbewerbsrecht, Richtlinie (EU) 2016/943 zu Geschäftsgeheimnissen) berücksichtigt werden.
 
Weitere Informationen zum Data Act und zur Konsultation finden Sie hier.
 
Link zur Konsultation
 
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Veröffentlichung
KfW-Innovationsbericht: Innovationsaktivitäten im Mittelstand sinken
Der neue KfW-Innovationsbericht zeigt, dass die Innovationsaktivitäten im Mittelstand nach einem kurzen Schub zu Beginn der Krise weiter zurückgingen. Deutlich wird die Innovations-Schere innerhalb der deutschen Wirtschaft. Die Innovationsanstrengungen konzentrieren sich auf immer weniger und hauptsächlich große Unternehmen. Drei von zehn mittelständischen Unternehmen verringerten 2020 ihre Innovationsaktivitäten. Demgegenüber stehen nur 12% der Mittelständler mit gesteigerten Innovationstätigkeiten. Vor allem die kleinen Unternehmen mit weniger als fünf Beschäftigten haben ihre Anstrengungen verringert. Firmen, die existenziell von der Krise betroffen sind und ausgeprägte Liquiditätsengpässe aufweisen, verzichten unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl verstärkt auf Innovationen (Saldo: -34 Punkte, ggü. -8 Punkte bei Unternehmen mit ausreichender Liquidität).
 
Der KfW-Innovationsbericht analysiert auch die Innovationstätigkeit des Mittelstands in den Jahren 2017/2019. Eine Neudefinition des Innovationsbegriffs der OECD führt dabei zu einem Anstieg der Innovatorenquote in allen Unternehmensgrößenklassen. 840.000 von insgesamt 3,79 Mio. mittelständischen Unternehmen haben Produkt- bzw. Prozessinnovationen eingeführt (22 Prozent). Das sind 3 Prozentpunkte mehr als in der Vorperiode 2016/2018. Die Summe der Innovationsausgaben des Mittelstandes ist 2019 gegenüber dem Vorjahr um zwei Milliarden Euro auf 32 Mrd. EUR gesunken.
 
Den vollständigen Report finden Sie hier.
 
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