Ausgabe Nr. 7 / 2020 
Titelbild Steuern Finanzen Mittelstand
Liebe Leserinnen und Leser,
 
nach über vier Monaten Corona-Krise hat man sich an die ganz großen Geldbeträge gewöhnt. Finanzminister Scholz hat verschiedentlich mit entsprechenden Bildern von der Bazooka bis zum Wumms die außergewöhnliche Dimension der Herausforderung unterstrichen. Die Unternehmen unterscheiden aber zwischen dem zum Teil sehr großen Rahmen und dem, was tatsächlich bei ihnen als Hilfe ankommt. Zum Beispiel hat der von der Bundesregierung beschlossene und gerade erst von der EU-Kommission genehmigte Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ein Volumen von 600 Mrd. Euro, der von der EU-Kommission vorgeschlagene Wiederaufbau-Fonds „Next Generation EU“ ein Volumen von 750 Mrd. Euro und das von der Bundesregierung beschlossene Konjunkturpaket ein Volumen von 130 Mrd. Euro. Ein wichtiger Teil des Konjunkturpaketes sind Überbrückungshilfen in Höhe von insgesamt 25 Mrd. Euro für besonders hart von der Corona-Pandemie getroffene Unternehmen, die ab sofort über ein Portal des Bundeswirtschaftsministeriums beantragt werden können.
 
Die großen Summen müssen im Bundeshaushalt „sauber“ abgebildet sein. Der Bundestag hat bereits das 2. Nachtragshaushaltsgesetz zum Etat des Bundes 2020 beschlossen, um den zusätzlichen Finanzierungsbedarf für das umfassende Konjunkturpaket abzubilden. Die geplanten Ausgaben des Bundes steigen Corona bedingt demnach in diesem Jahr auf 509,3 Mrd. Euro – ursprünglich waren 362 Mrd. Euro geplant. Zur Deckung der deutlich höheren Ausgaben des Bundes plant der Bund u. a. eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 218,5 Mrd. Euro ein – ursprünglich war keine Kreditaufnahme vorgesehen. Aus Sicht der Unternehmen gibt es derzeit auch keine Alternative zur Kreditfinanzierung der öffentlichen Hand. Im Detail sind hier aber noch viele Aspekte zu diskutieren, zum Beispiel wie die Bundesregierung mit den bisherigen Rücklagen umgeht, die immerhin auch etwa 50 Mrd. Euro betragen.
 
Die Umsetzung der Hilfsmaßnahmen in der Praxis kann nur Schritt für Schritt erfolgen. Für die besonders von der Corona-Pandemie betroffenen Unternehmen in Deutschland ist es zum Beispiel jetzt wichtig, dass die Überbrückungshilfen möglichst bald bei ihnen eintreffen. Die Beantragung der Hilfen startet in diesen Tagen. Die Anträge müssen von beauftragten Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern über ein Portal beim Bundeswirtschaftsministerium eingereicht werden. Antragsberechtigt sind alle Betriebe, deren Umsätze in Folge der Corona-Pandemie massiv eingebrochen sind. Maximal können die Betriebe 150.000 Euro für die Monate Juni bis August 2020 erhalten.
 
Die aus fehlenden Umsätzen entstehenden Liquiditätsengpässe konnten und können bei einigen Unternehmen vor allem dank der Corona-Kredite der KfW, der Bürgschaftsbanken sowie der Sofort- bzw. jetzt der Überbrückungshilfen temporär überbrückt werden. Damit wird die Abschmelzung des Eigenkapitals in den Betrieben aber nicht aufgehalten. Das schränkt die Investitionen der Betriebe massiv ein, weshalb es die Unternehmen schwer haben werden, sich wieder schnell zu erholen. Deshalb setzt sich der DIHK aktuell intensiv für eine mittel-standsfreundlichere Ausgestaltung des WSF ein. Denn Betriebe in der Größenklasse von 10 bis 50 Mio. Euro Jahresumsatz sind auf Eigenkapitalhilfen besonders angewiesen. Das sind in Deutschland immerhin fast 45.000 Unternehmen. Eine wesentliche Innovation wäre dabei die Ausgabe standardisierter, eigenkapitalähnlicher Finanzierungsinstrumente wie Genussscheine. Durch einen Aufbau von Verbriefungsstrukturen ließen sich weitere Investoren bzw. privates Kapital für die Rekapitalisierung von mittelständischen Unternehmen ansprechen. Die Finanzierungsbedingungen der deutschen Wirtschaft könnten so in der Breite verbessert werden.
 
Auch bei noch so großen in der Politik gehandelten „Rettungspaketen“ müssen die Maßnahmen im Detail an die Bedürfnisse der Bertriebe in der Praxis angepasst werden, damit die Hilfen ihr Ziel nicht verfehlen.
 
Erschwert wird den Unternehmen eine wirtschaftliche Erholung, wenn sie zusätzliche bürokratische Belastungen stemmen müssen. Ein Beispiel ist hier die Pflicht zur Anzeige von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Der EU-Ministerrat hatte Ende April 2020 einstimmig beschlossen, die Fristen zur erstmaligen Abgabe der Meldungen um bis zu maximal 9 Monate zu verlängern. Bundesfinanzminister Scholz hat nun angekündigt, diese Option nicht zu nutzen. Anders als die Unternehmen in den meisten EU-Mitgliedstaaten müssen die Unternehmen in Deutschland also ab dem 1. Juli 2020 Mitteilungen einreichen.
 
Apropos bürokratische Belastung der Betriebe: Eine leichte Entschärfung ergibt sich dank der Bundesländer bei der Nachrüstung von Registrierkassen mit technischen Sicherheitseinrichtungen. Auch hier hatte das BMF vor kurzem noch festgestellt, dass es trotz der Corona-Belastungen bei der zu Beginn des Jahres festgelegten Frist Ende September diesen Jahres bleibe. Aktuell verschaffen aber einige (und ggf. auch alle) Länder den Betrieben etwas mehr Luft und verlängern diese Frist bis Ende März des kommenden Jahres. Intensiv beschäftigen müssen sich die Betriebe dennoch mit der technischen Nachrüstung ihrer Kassensysteme, weil zumindest die Bestellung der entsprechenden Tools bis zum 30. September erfolgen muss.
 
Wir wünschen eine angenehme Lektüre.
 
Rainer Kambeck
Bereichsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand
Inhalt
Aktuelle Steuerpolitik und Steuerrecht
BFH urteilt über Entfernungspauschale für Hin- und Rückweg
Bundesländer gewähren Fristverlängerung bei der technischen Nachrüstung von Registrierkassen auch ohne das BMF
Aktueller Stand bei den Überbrückungshilfen
Besteuerung von Grenzgängern in die Schweiz und Kurzarbeiterentschädigung
Zweite Verlängerung der Konsultationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien vom 6. Mai 2020 zur Besteuerung von Grenzpendlern
Internationale und Europäische Steuerpolitik
Erstes Haushaltsjahr des neuen Finanzrahmens – EU-Kommission legt Haushaltsentwurf für das Jahr 2021 vor
Deutsche Ratspräsidentschaft der EU: Bundesregierung legt Programm fest
Mehrwertsteuern in der EU: Änderung am bereits beschlossenen E-Commerce-Paket soll Steuerverfahren angesichts der Corona-Krise entlasten
Nach-Corona: EU-Wiederaufbau- und Resilienz-Instrument – Juristischer Dienst des Rates segnet Grundzüge ab
Aktuelle Haushaltspolitik
Steuereinnahmen im Mai kräftig gesunken
Bundestag hat 2. Nachtragshaushaltsgesetz beschlossen
Kommunale Entlastung auf den Weg gebracht
Neue Prognose des Sachverständigenrates zur wirtschaftlichen Entwicklung und dem öffentlichen Defizit
Unternehmensfinanzierung
Rekapitalisierung des Mittelstands: Für eine mittelstandsfreundlichere Ausgestaltung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Aktuelle Steuerpolitik und Steuerrecht
BFH urteilt über Entfernungspauschale für Hin- und Rückweg
Der BFH hat mit Urteil vom 12. Februar 2020 zum Aktenzeichen VI R 42/17 entschieden, dass die Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ar-beitstäglich für zwei Wege (einen Hin- und einen Rückweg) gilt. Legt ein Arbeitnehmer nur einen Weg zurück, ist nur die Hälfte der Entfernungspauschale je Entfernungskilometer und Arbeitstag als Werbungskosten zu berücksichtigen.
 
 
   
Bundesländer gewähren Fristverlängerung bei der technischen Nachrüstung von Registrierkassen auch ohne das BMF
Das BMF hat die Verschiebung der Fristverlängerung bei der technischen Nachrüstung von Registrierkassen über den 30. September 2020 hinaus abgelehnt. Umso erfreulicher ist es, dass die Bundesländer die Fristverlängerung bei der technischen Nachrüstung von Registrierkassen auch ohne das BMF in ihren Ländern gewähren. In einer Pressemitteilung der Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hamburg und Niedersachsen wird angekündigt, dass ein Aufschub bis zum 31. März 2021 unter besonderen Voraussetzungen nicht zu beanstanden ist.
 
 
   
Aktueller Stand bei den Überbrückungshilfen
Die Soforthilfe, die kleine und mittlere Unternehmen und Organisationen sowie Solo-Selbstständige und Angehörige der Freien Berufe bis zum 31. Mai beantragen konnten, wird abgelöst durch die sogenannte Überbrückungshilfe. Dabei richten sich diese Hilfen in Bezug auf die Mitarbeiterzahl an einen wesentlich größeren Kreis von Unternehmen. Antragsberechtigt sind alle Betriebe, die sich nicht für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds qualifizieren. Maximal können die Betriebe 150.000 Euro für die Monate Juni bis August 2020 erhalten. Voraussetzung für den Bezug der Überbrückungshilfe ist, dass die Umsätze in den Monaten April und Mai 2020 mindestens 60 Prozent geringer sind als in den Monaten April und Mai 2019.
 
 
   
Besteuerung von Grenzgängern in die Schweiz und Kurzarbeiterentschädigung
Das BMF hat mit Schreiben vom 12. Juni 2020 eine Konsultationsvereinbarung zwischen Deutschland und der Schweiz veröffentlicht, die die Besteuerung von Kurzarbeitergeld und von Grenzpendlern zur Schweiz regelt. Die Vereinbarung bedeutet eine Entlastung für grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer im Hinblick auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.
 
 
   
Zweite Verlängerung der Konsultationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien vom 6. Mai 2020 zur Besteuerung von Grenzpendlern
Die am 6. Mai 2020 mit dem Königreich Belgien abgeschlossene und am 20. Mai 2020 um einen Monat verlängerte Konsultationsvereinbarung zum Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen im Hinblick auf die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns von Grenzpendlern wurde mit schriftlicher Vereinbarung der zuständigen Behörden vom 22. Juni 2020 bis zum 31. August 2020 verlängert.
 
 
   
Internationale und Europäische Steuerpolitik
Erstes Haushaltsjahr des neuen Finanzrahmens – EU-Kommission legt Haushaltsentwurf für das Jahr 2021 vor
Weder der nächste Mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 der EU, noch der von der EU-Kommission vorgeschlagene Wiederaufbau-Fonds „Next Generation EU“ sind beschlossen. Dennoch muss das Haushaltsaufstellungsverfahren für 2021 nun fristgemäß beginnen. Die Kommission hat deshalb einen Entwurf vorgelegt, der erheblich höhere Einnahmen und Aus-gaben vorsieht als üblich.
 
 
   
Deutsche Ratspräsidentschaft der EU: Bundesregierung legt Programm fest
Das Bundeskabinett hat das „Arbeitsprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft“ am 24. Juni 2020 beschlossen und am 30. Juni 2020 veröffentlicht. Die finanz- und steuerpolitischen Ziele der Bundesregierung finden sich im Programm auf den Seiten 10 und 11.
 
 
   
Mehrwertsteuern in der EU: Änderung am bereits beschlossenen E-Commerce-Paket soll Steuerverfahren angesichts der Corona-Krise entlasten
Das Europäische Parlament will eine Fristverschiebung um 6 Monate der Pflichten aus dem so genannten „E-Commerce-Paket" gutheißen. Auch die EU-Botschafter sind sich bei dem Thema offenbar einig.
 
 
 
 
   
Nach-Corona: EU-Wiederaufbau- und Resilienz-Instrument – Juristischer Dienst des Rates segnet Grundzüge ab
Der Juristische Dienst des Rates der EU hat am 24. Juni 2020 die Rechtsgrundlage und wesentlichen Bestandteile des Wiederaufbau-Fonds „Next Generation EU“ für mit den EU-Verträgen vereinbar erklärt. Allerdings hat er Bedenken, was Höhe und Empfänger einzelner Ausgabenvorschläge der Europäischen Kommission anbelangt.
 
 
   
Aktuelle Haushaltspolitik
Steuereinnahmen im Mai kräftig gesunken
Die Steuereinnahmen insgesamt (ohne Gemeindesteuern) sanken im Mai 2020 um 19,9 Prozent gegenüber dem Mai 2019. In der Jahresbetrachtung (Januar bis Mai 2020) ist das Steueraufkommen insgesamt um 6,3 Prozent gesunken. Die Gemeinschaftssteuern haben sich um 7,5 Prozent und die Bundessteuern um 2,9 Prozent verringert. Die Ländersteuern zeigen einen Zuwachs um 7,5 Prozent, weil die (nachlaufenden) Einnahmen aus der Erbschaftsteuer im Mai deutlich gestiegen sind. Damit ist die Entwicklung aktuell weniger schlecht als in der Steuerschätzung von Mai angenommen, die für die Gemeinschaftssteuern ein Minus von 10,9 Prozent, für die Bundessteuern ein Minus von 5,0 Prozent und für die Ländersteuern ein Minus von 1,8 Prozent erwartet hat.
 
 
   
Bundestag hat 2. Nachtragshaushaltsgesetz beschlossen
Am 2. Juli 2020 hat der Bundestag das 2. Nachtragshaushaltsgesetz zum Etat des Bundes 2020 beschlossen. Hintergrund ist der zusätzliche Finanzierungsbedarf für das umfassende Konjunkturpaket. Mit diesem zweiten Nachtragshaushalt erhöhen sich die geplanten Ausgaben des Bundes in diesem Jahr auf 509,3 Mrd. Euro. Zur Deckung dieser Ausgaben plant der Bund u. a. eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 218,5 Mrd. Euro ein.
 
 
   
Kommunale Entlastung auf den Weg gebracht
Das Bundeskabinett hat am 24. Juni 2020 die im Konjunkturpaket vorgesehenen Unterstützungsleistungen für die Kommunalfinanzen auf den Weg gebracht. Neben dem einmaligen Ausgleich von Gewerbesteuermindereinnahmen 2020 enthält das Paket auch die dauerhafte Entlastung der Kommunen von Sozialausgaben in Höhe von rund 3,4 Mrd. Euro jährlich.
 
 
   
Neue Prognose des Sachverständigenrates zur wirtschaftlichen Entwicklung und dem öffentlichen Defizit
Der Sachverständigenrat (SVR) rechnet in seiner aktualisierten Prognose für das Jahr 2020 in Deutschland mit einem Rückgang des BIP um 6,5 Prozent. Für das kommende Jahr erwartet der SVR ein Wachstum von 4,9 Prozent. Eine Rückkehr auf das Niveau des BIP vor der Pandemie ist nicht vor dem Jahr 2022 zu erwarten. Der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo in den nächsten zwei Jahren ist negativ.
 
 
   
Unternehmensfinanzierung
Rekapitalisierung des Mittelstands: Für eine mittelstandsfreundlichere Ausgestaltung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Die Finanzierungsbedingungen der deutschen Wirtschaft haben sich in der Krise deutlich verschlechtert: Zwei von drei Unternehmen spüren negative Auswirkungen. Über 40 Prozent haben Liquiditätsengpässe, besonders ausgeprägt ist allerdings der Rekapitalisierungsbedarf: Fast jedes zweite Unternehmen meldet einen Eigenkapitalrückgang (47 Prozent) und ist damit die größte Herausforderung bei den Finanzierungsbedingungen. Hier könnte der am 8. Juli 2020 von der EU-Kommission genehmigte Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) Abhilfe schaffen – wenn er erst einmal seine operative Tätigkeit aufgenommen hat und zudem mittelstandsfreundlicher ausgestaltet wird.
 
 
   
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