Ausgabe Nr. 8 / 2020 
Titelbild Steuern Finanzen Mittelstand
Liebe Leserinnen und Leser,
 
Was lange währt, wird – hoffentlich – gut, ganz sicher aber teuer. Unter dieser Überschrift lassen sich die Ergebnisse des EU-Gipfels Mitte Juli 2020 zusammenfassen. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich bei ihrem zweitlängsten Gipfeltreffen der Geschichte auf eine EU-Finanzierung für die kommenden Jahre geeinigt. Der Mehrjährige EU-Finanzrahmen von 2021-2027 fällt dabei ähnlich hoch aus wie der noch laufende bis Ende des Jahres. Wesentlich mehr Aufmerksamkeit hat der auch auf diesem Gipfel beschlossene Wiederaufbauplan zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie bekommen. Hinter dem Titel „Next Generation EU“ verbirgt sich ein historisch einmaliger Vorgang: Erstmals gestatten die Mitgliedstaaten der EU eine Schuldenaufnahme in Höhe von maximal 750 Mrd. Euro bis 2026. Durch eine lange Tilgung reichen die haushalterischen Folgen weit in die Zukunft: bis zum Jahresende 2058.
 
In jedem Fall hängt die wirtschaftliche Durchschlagskraft des Pakets nun von dessen Umsetzung ab! Im Einzelnen bedeutet das: Die von den Mitgliedstaaten für „Next Generation Europe“ vorgeschlagenen Investitionsprojekte müssen solide geplant und kalkuliert sein sowie möglichst auf einen gesamteuropäischen Mehrwert zielen. Die EU-Kommission muss die nationalen Wiederaufbaupläne kritisch prüfen und, wo immer möglich, verbessern. Die Staatenvertreter im Rat sollten ihre „EU-Brille“ aufsetzen und im Notfall auch einmal bereit sein, die rote Karte zu zeigen, wenn Projekte die gestellten Anforderungen zu reißen drohen.
 
Zugegeben, im Vergleich zu den Kommissionsvorschlägen haben die Staatschefs einige wichtige Verbesserungen vereinbart. So sollen mit 70 Prozent nun etwas mehr als zwei Drittel der Wiederaufbau-Mittel in den Jahren 2021 und 2022 fest verplant werden. Das ist gut so, denn je mehr Zeit nach dem Ausbruch der Krise verstreicht, desto weniger lassen sich hohe schuldenfinanzierte Ausgaben für die Krisenbeseitigung rechtfertigen.
 
Die zur Gegenfinanzierung vorgeschlagenen Maßnahmen – Plastikabgabe, CO2-Ausgleichsabgabe an den EU-Grenzen, Digitalsteuer, Finanztransaktionssteuer, Ausweitung EU-Emissionshandel – wiederum können zu erheblichen Belastungen der Wirtschaft führen. Dem muss zwingend ein wirtschaftlicher, sozialer und klimapolitischer Mehrwert gegenüberstehen. Sonst geht die Rechnung für die EU nicht auf. Der genaue Einsatz der beschlossenen Summen ist daher aus Wirtschaftssicht mindestens genauso bedeutend wie die aufgerufenen Summen oder die Frage „Zuschuss oder Kredit“.
 
Wir wünschen eine angenehme Lektüre.
 
Ihre
 
Dr. Kathrin Andrae und Malte Weisshaar
Referatsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand
Inhalt
Aktuelle Steuerpolitik und Steuerrecht
BMF legt Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) vor
Kassen: Nichtbeanstandung bei fehlender tSE-Aufrüstung durch 15 Bundesländer
BMF lehnt Verschiebung der Meldefrist zur Anzeige grenzüberschreitender Steuergestaltungen ab
Änderungen bei der betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen der Grundrente beschlossen
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Zweites Familienentlastungsgesetz – 2. FamEntlastG)
Finanzgericht Köln zur Nachforderung von Lohnsteuer aus der Übernahme von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung
Umsatzsteuer: BMF äußert sich zur postalischen Erreichbarkeit des Rechnungssteller sowie zur Identität von Rechnungssteller und Leistungserbringer
Umsatzsteuer: BMF zum maßgeblichen Zeitpunkt der Lieferung als Voraussetzung des Abzugs der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer
Umsatzsteuer: BMF-Schreiben zu den Auswirkungen der sog. Missbrauchsrechtsprechung des EuGH auf die Steuerbefreiung bei Ausfuhren
Aktuelle Haushaltspolitik
Steuereinnahmen im Juni weiter rückläufig
Soforthilfen des Bundes – eine Bilanz
EU-Gipfel beschließt Wiederaufbauprogramm für Europa
EU-Gipfel einigt sich auf Mehrjährigen Finanzrahmen bis 2027
Internationale und Europäische Steuerpolitik
EU-Kommission veröffentlicht umfassendes „Steuerpaket zur Betrugsbekämpfung“
Europäisches Gericht: Apple erhielt von Irland keine verbotene Beihilfe
Aktuelle Steuerpolitik und Steuerrecht
BMF legt Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) vor
 
Das BMF hat am 17. Juli 2020 den Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) vorgelegt. Mit dem Gesetzentwurf soll notwendiger Änderungsbedarf bei Gesetzen aufgrund von EU-Recht und EuGH-Rechtsprechung sowie Reaktionen auf Rechtsprechung des BFH umgesetzt werden. Darüber hinaus bestehe ein Erfordernis zur Umsetzung eines unvermeidlich entstandenen technischen Regelungsbedarfs. Hierzu gehören Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen, Folgeänderungen, Anpassungen aufgrund von vorangegangenen Gesetzesänderungen und Fehlerkorrekturen.
 
 
   
Kassen: Nichtbeanstandung bei fehlender tSE-Aufrüstung durch 15 Bundesländer
Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016 (kurz: Kassengesetz) wurden Unternehmen verpflichtet, ihre elektronischen Kassen(systeme) ab dem 1. Januar 2020 mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (tSE) aufzurüsten. Angesichts der erheblichen Verzögerungen bei der Zertifizierung von tSE-Lösungen durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der verspäteten Verfügbarkeit am Markt hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) auf Grund der Intervention des DIHK und anderer Verbände mit Schreiben vom 6. November 2019 eine Nichtbeanstandungsregelung bis zum 30. September 2020 erlassen.
 
 
 
   
BMF lehnt Verschiebung der Meldefrist zur Anzeige grenzüberschreitender Steuergestaltungen ab
Intermediäre und Unternehmen müssen ab dem 1. Juli 2020 die Vorschriften zur Meldepflicht grenzüberschreitender Gestaltungen befolgen. Gestaltungen, die ab diesem Zeitpunkt umgesetzt werden, sind innerhalb einer Frist von 30 Tagen an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu übermitteln. Gestaltungen, die bereits nach dem 24. Juni 2018 und bis zum 30. Juni 2020 umgesetzt wurden, sind bis zum 31. August 2020 zu melden.
 
 
   
Änderungen bei der betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen der Grundrente beschlossen
Der Deutsche Bundestag hat den ursprünglichen Regierungsentwurf zur Grundrente am 2. Juli 2020 verabschiedet. Im Gesetz sind auch Regelungen zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge enthalten. Die Förderbeträge für betriebliche Altersversorgung an geringverdienende Arbeitnehmer nach § 100 EStG wurden angehoben.
 
 
   
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Zweites Familienentlastungsgesetz – 2. FamEntlastG)
Das Bundeskabinett hat am 29. Juli 2020 einen Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Zweites Familienentlastungsgesetz) beschlossen. Mit dem Zweiten Familienentlastungsgesetz soll die Überprüfung und Anpassung von steuerlichen Freibeträgen und die Beseitigung der kalten Progression erfolgen. Ziel des Gesetzes ist die finanzielle Entlastung und Unterstützung von Familien. Der Entwurf erfüllt damit eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag von 2018.
 
 
   
Finanzgericht Köln zur Nachforderung von Lohnsteuer aus der Übernahme von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung
Das Finanzgericht Köln hat mit Urteil vom 24. Januar 2020 zum Aktenzeichen 1 K 1041/17 erörtert, ob die Übernahme von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung im Rahmen der Pauschalversteuerung nach § 37b EStG zu weiterem Arbeitslohn führt. Das Finanzgericht urteilte hier, dass kein geldwerter Vorteil vorliegt, der versteuert werden muss.
 
 
   
Umsatzsteuer: BMF äußert sich zur postalischen Erreichbarkeit des Rechnungssteller sowie zur Identität von Rechnungssteller und Leistungserbringer
Die Finanzverwaltung hat mit dem BMF-Schreiben vom 13. Juli 2020 die Anforderungen an die Prüfung des Rechnungsmerkmals „vollständige Anschrift“ konkretisiert. Gleichzeitig ergänzt sie die Abschnitte 14.5 (Pflichtangaben in Rechnungen) sowie 15.2 (ordnungsmäßige Rechnung für Zwecke des Vorsteuerabzugs) im Umsatzsteuer-Anwendungserlass. Sie schließt sich dabei der BFH-Rechtsprechung vom 5. Dezember 2018, XI R 22/14, sowie vom 14. Februar 2019, V R 47/16 an. Die beiden Urteile sollen nunmehr im BStBl. II 2020 veröffentlicht werden. Die Grundsätze des Schreibens gelten in allen offenen Fällen.
 
 
   
Umsatzsteuer: BMF zum maßgeblichen Zeitpunkt der Lieferung als Voraussetzung des Abzugs der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer
Mit Schreiben vom 16. Juli 2020 hat das BMF bekannt gegeben, dass aus Sicht der Finanzverwaltung sich der Zeitpunkt der Lieferung für Zwecke des Vorsteuerabzugs der Einfuhrumsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG nach der umsatzsteuerlichen Ortsbestimmung des § 3 Abs. 6 bis 8 UStG richtet. Lieferklauseln wie z. B. Incoterms sind insoweit unbeachtlich.
 
 
   
Umsatzsteuer: BMF-Schreiben zu den Auswirkungen der sog. Missbrauchsrechtsprechung des EuGH auf die Steuerbefreiung bei Ausfuhren
Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 hat das BMF die Rechtsprechung des EuGH zur Frage, wann die Nichteinhaltung formeller Anforderungen den Verlust des Rechts auf Umsatzsteuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen nach sich zieht, in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass übernommen.
 
 
   
Aktuelle Haushaltspolitik
Steuereinnahmen im Juni weiter rückläufig
Die Steuereinnahmen insgesamt (ohne Gemeindesteuern) sanken im Juni 2020 um 19,0 Prozent gegenüber dem Juni 2019. In der Jahresbetrachtung (Januar bis Juni 2020) ist das Steueraufkommen insgesamt um 9,1 Prozent gesunken. Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern haben sich im ersten Halbjahr um 10,6 Prozent und aus den Bundessteuern um 5 Prozent verringert. Die Ländersteuern zeigen einen Zuwachs von 8,8 Prozent, weil die (nachlaufenden) Einnahmen aus der Erbschaftsteuer im Juni erneut deutlich gestiegen sind. Damit liegt die Entwicklung aktuell etwas auf dem Niveau der Steuerschätzung von Mai, die für die Gemeinschaftssteuern ein Minus von 10,3 Prozent und für die Bundessteuern ein Minus von 5,9 Prozent prognostiziert hat. Die Ländersteuern entwickeln sich aktuell deutlich besser als die Schätzung, die ein Minus von 1,8 Prozent erwartet.
 
 
   
Soforthilfen des Bundes – eine Bilanz
Die von der Bundesregierung beschlossenen Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige wurden in den Monaten März bis Mai beantragt und ausgezahlt. Als Anschlussförderung wurde von der Bundesregierung die Überbrückungshilfe beschlossen, die finanziellen Mittel für die Monate Juni bis August zur Verfügung stellt. In der folgenden Zusammenfassung finden Sie einen aktuellen Stand.
 
 
   
EU-Gipfel beschließt Wiederaufbauprogramm für Europa
Das Wiederaufbauprogramm der EU firmiert offiziell unter dem Namen „Next Generation EU“ (NGEU) und beläuft sich auf ein Volumen von 750 Mrd. Euro. Davon sollen nach tagelangen Diskussionen auf dem EU-Gipfel 390 Mrd. Euro als Zuschüsse und 360 Mrd. Euro als Kredite an die Mitgliedstaaten ausgereicht werden. Quasi als ungebundene Zuschüsse – weil nicht Bestandteil schon existierender EU-Programme – sind 312,5 Mrd. Euro vorgesehen. Im Zusammenhang mit dem NGEU erhält die EU die Ermächtigung, sich am Kapitalmarkt zu verschulden. Für die Rückzahlung dieser Kredite sind neue Eigenmittel geplant.
 
 
   
EU-Gipfel einigt sich auf Mehrjährigen Finanzrahmen bis 2027
Die Staats- und Regierungschefs der EU-27 haben sich auf den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von 2021-2027 geeinigt. Der MFR umfasst nunmehr 1.074,3 Mrd. Euro. Die Kommission war mit einem Vorschlag in Höhe von 1.100 Mrd. Euro in die Verhandlungen gegangen.
 
 
   
Internationale und Europäische Steuerpolitik
EU-Kommission veröffentlicht umfassendes „Steuerpaket zur Betrugsbekämpfung“
Die EU-Kommission hat am 15. Juli 2020 ein „Steuerpaket zur Betrugsbekämpfung“ veröffentlicht. Das Paket besteht aus drei getrennten, aber miteinander zusammenhängenden Initiativen, um „Steuerbetrug und -hinterziehung zu unterbinden“ sowie „aggressive Steuerplanung“ sowohl in Europa als auch weltweit zu bekämpfen.
 
 
   
Europäisches Gericht: Apple erhielt von Irland keine verbotene Beihilfe
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 15. Juli 2020 in den Rechtssachen T-778/16 und T-892/16 entschieden, dass die von Irland an Apple gerichteten Steuervorbescheide – entgegen der Feststellung der EU-Kommission vom 30. August 2016 – keine unrechtmäßigen Steuervergünstigungen in Form einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe darstellen. Irland muss nach dem neuesten Urteil von Apple keine Steuerrückzahlung verlangen.
 
 
   
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