| Dabei konnte gezeigt werden, dass die neuen Biomarker eine frühere Detektion des AKI ermöglichen, als dass durch die beiden etablierten Funktionsmarker Serumkreatinin (SCr) und Urinausscheidung, die wegen geringer Sensitivität und Spezifität deutliche Limitationen aufweisen, möglich ist. Um AKI-Hochrisikopatienten zu detektieren, sollten sowohl vor chirurgischen Eingriffen als auch vor nephrotoxischer Exposition demographische Merkmale, Komorbiditäten, vorangegangene Nierenschädigungen sowie die aktuelle Medikation berücksichtigt werden. Dies ist auch deshalb sinnvoll, um eine spezifizierte Auswahl der entsprechenden Biomarker zu ermöglichen (Empfehlungsgrad B, stark). Dabei sollten Variablen der Nierenfunktion, wie Cystatin C, SCr und die Glomeruläre Filtrationsrate (GFR), präinterventionell zur Beurteilung des AKI-Risikos herangezogen werden. So deutet z. B. der Biomarker „Dickkopf-3“ bereits vor Prädisposition auf ein erhöhtes postoperatives AKI-Risiko hin.1 Bei etwa 15% aller Krankenhausaufnahmen kann ein AKI diagnostiziert werden. Damit kommt der Prävention dieses Krankheitsbildes eine hohe Bedeutung zu. Empfohlen wird, validierte Biomarker zu verwenden, um Patienten zu identifizieren, bei denen durch die Initiierung präventiver, nephroprotektiver Maßnahmen das Outcome verbessert werden kann (Empfehlungsgrad A, stark).2 Aus einigen Studien geht hervor, dass die Initiierung präventiver nephroprotektiver Strategien insbesondere bei den Patienten einem AKI vorbeugen kann, bei denen ein kritischer Wert der Biomarker Tissue Inhibitor of Metalloproteinases-2 (TIMP-2) und Insulin-like Growth Factor Binding Protein 7 (IGFBP7) nachgewiesen wird. Eine Biomarker-getriggerte Initiierung der KDIGO-Präventions-Strategien kann die Notwendigkeit von Nierenersatztherapien reduzieren. Neben der klinischen Betrachtung wird die Verwendung validierter Biomarker auch empfohlen, um den Beginn und die Art der Interventionen zur Verbesserung des Outcomes abzuschätzen (Empfehlungsgrad C, stark). Auch negative Test ergebnisse können dabei hilfreich sein. Eine [TIMP-2] x [IGFBP7]-Konzentration von < 0,3 (ng/ml)2/1000 weist auch bei Auftreten einer Oligurie auf ein geringes AKI-Risiko hin. Eine Kombination von Schädigungs- und Funktionsmarkern wird – zusätzlich zur klinischen Beurteilung – sowohl für die Diagnostik des AKI (Empfehlungsgrad B, bedingt) als auch zur Beurteilung des Therapieerfolges (Empfehlungsgrad C, bedingt) empfohlen. Zusätzlich können neue Biomarker auch bei der Initiierung einer Nierenersatztherapie (renal replacement therapy, RRT) eine Rolle spielen (Empfehlungsgrad C, bedingt). Ob neue Biomarker allerdings auch einen Stellenwert bei der Entscheidung zur Beendigung einer RRT besitzen, ist noch nicht abschließend geklärt (Empfehlungsgrad C, schwach). Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass die Biomarker Plasma-Proenkephalin-A, C-C Motif Chemokine Ligand 14 und Dickkopf-3 auf ein erhöhtes Risiko für eine persistierende Nierenschädigung oder der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie hinweisen. Um auch die Rolle von neuen Biomarkern bei der AKI-Prävention nach Konfrontation mit spezifischen Noxen zu beleuchten, könnten weitere Studieninitiativen Aufschluss bringen. Ebenso, ob serielle Biomarker-Messungen einen höheren Erkenntniswert im Vergleich zu Einzelmessungen haben. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch die Biomarkerforschung ein erheblicher Fortschritt im Verständnis der Pathophysiologie eines AKI erzielt werden konnte, das zur Verbesserung des Outcomes der Patienten eingesetzt werden sollte. Die Integration spezifischer Biomarker in die Routine kann zu einer frühen Identifikation von Hoch-Risikopatienten und dadurch zur Optimierung der AKI-Therapie beitragen. Dr. med. Fabian Dusse, MHBA Dr. med. Florian Koroska Universität zu Köln Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin
1 Ostermann M, Zarbock A, Goldstein S et al. Recommendations on Acute Kidney Injury Biomarkers From the Acute Disease Quality Initiative Consensus Conference: A Consensus Statement. JAMA Netw Open 2020; 3: e2019209. DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2020.19209 2 Kellum JA, Lameire N, Aspelin P et al. Kidney disease: Improving global outcomes (KDIGO) acute kidney injury work group. KDIGO clinical practice guideline for acute kidney injury. Kidney International Supplements 2012; 2: 1-138. DOI: 10.1038/kisup.2012.1
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