Medizinprodukte werden kaum getestet, Zwischenfälle und Mängel häufig vertuscht, so fasst die Süddeutsche Zeitung (SZ) die Ergebnisse der "Implant-Files"- Recherchen zusammen. Medizinprodukte, die Menschen eigentlich helfen sollen, seien für etliche Todesfälle verantwortlich. Die Berichterstattung sorgte für große Aufmerksamkeit, sowohl in den Medien als auch in der Politik und bei Krankenkassen.
Im Mittelpunkt der Kritik steht vor allem das Verfahren zur Marktzulassung von Medizinprodukten. Anders als bei Arzneimitteln gibt es keine unabhängige Stelle, die den Nutzen der Implantate oder anderer Medizinprodukte vor der Markteinführung überprüft. Sind diese Produkte erst einmal auf dem Markt, gibt es keine Daten über ihre Haltbarkeit oder Verträglichkeit. Demzufolge gibt es auch keine gesicherten Aussagen über die Qualität risikoreicher Produkte wie etwa Brustimplantate oder Herzkatheter.
Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks fordert vor diesem Hintergrund die Bundesregierung auf, "endlich das lange angekündigte Implantateregister-Gesetz vorzulegen". Auch müsse der Marktzugang von Herzschrittmachern, Brustimplantaten, Gelenkprothesen und anderen risikobehafteten Medizinprodukten genauso streng kontrolliert und überwacht werden wie die Zulassung von Arzneimitteln. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat nun angekündigt, ein Implantate-Register zu schaffen.
Der TK-Vorstandsvorsitzende Dr. Jens Baas fordert ebenfalls eine wirksame Prüfung von Medizinprodukten ein. Die derzeitige Zulassung durch private Institute reiche nicht aus: "Wir müssen wissen, ob ein Medizinprodukt zuverlässig ist und dauerhaft seinen Dienst tut. Dafür müssen wir neue Produkte endlich ähnlich streng wie Arzneimittel in der Praxis testen, bevor wir sie bei Hunderttausenden Patienten einbauen.“ Zudem brauche es für Hochrisikoprodukte ein zentrales Register.
In einem Beitrag zu den "Implant-Files" geht es um die Versorgung mit Künstlichen Herzklappen, so genannten TAVI-Klappen. Die TAVI wird invasiv zum Herzen geführt, wo sie sich dann entfaltet. Während herkömmliche Herzklappen oft ein Leben lang halten, ist die Haltbarkeit von TAVI-Klappen kaum erforscht. "Obwohl sie schon lange auf dem Markt sind, gibt es keine hochwertigen Langzeitstudien", so die SZ. Die Verkaufszahlen der TAVIS sind in Deutschland trotzdem rasant angestiegen: Zwar kostet eine TAVI-Klappe mit 13.000 Euro das Vielfache einer mechanischen Herzklappe, die schon ab 450 Euro zu haben ist - am Ende könnten Kliniken aber wohl trotzdem besser an einer TAVI-Klappe verdienen, schreibt die SZ. Denn das Einsetzen einer solchen wird Krankenhäusern in der Regel mit 32.700 Euro vergütet und damit erheblich besser als das einer klassischen Herzklappe. Vor acht Jahren wurden laut SZ in deutschen Krankenhäusern noch 10.000 konventionelle Klappen eingesetzt - bei 5.000 TAVIS. 2017 waren es noch rund 9.000 mechanische Klappen und 20.000 TAVIS.
Hintergrund:
Die Berichterstattung "Implant-Files" ist Ergebnis einer mehr als einjährigen Recherche der SZ und rund 60 anderer Medien. Journalisten haben hierbei weltweit Patienten befragt, mit Insidern gesprochen und Studien ausgewertet.
(Quelle: SZ; BGV; zeit-online; TK)
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