Ein unerwartet aktuelles Thema war Schwerpunkt des 9. Gesundheitstreffs des Verbands der Ersatzkassen (vdek) am 30. August 2018: Eine Woche zuvor hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Verordnung zur Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen zunächst für vier pflegeintensive Bereiche in Krankenhäusern ab Januar 2019 erlassen. Dies war nötig, weil der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft sich nicht, wie vom Bundesgesetzgeber vorgegeben, auf verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen für pflegeintensive Bereiche in Kliniken hatten einigen können. Mit der Ersatzvornahme setzt das BMG auf den Vorarbeiten der Selbstverwaltung auf.
Die Untergrenzen sollen nun für die Intensivmedizin, die Geriatrie, die Kardiologie und die Unfallchirurgie gelten. Sie beschreiben, wie viele Pflegekräfte für einen bestimmten Pflegeaufwand benötigt werden. Dabei wird auch das Schichtsystem mit einbezogen, berichtet das Ärzteblatt. Pflegenahe Verbände und Vereinigungen kritisierten die vorgelegte Verordnung des BMG.
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks bezeichnete die Einführung von Pflegeuntergrenzen beim Gesundheitstreff als einen richtigen Schritt, auch wenn im Einzelnen noch Änderungsbedarf im Verordnungsentwurf bestehe.
Prof. Dr. Jonas Schreyögg vom Hamburg Center for Health Economics (HCHE) hob in seinem Impulsreferat hervor, dass die Zielgruppe einzelne Kliniken mit deutlich zu wenig Pflegepersonal seien, die nun "aufwachsen" müssten. Dies führe zu einer Homogenisierung der Personalbesetzung unter den Kliniken und gewähre eine Mindeststrukturqualität. Allerdings sei die Verordnung des BMG unzureichend. Insbesondere sei die Auswahl der Fachabteilungen durch die Selbstverwaltung "fragwürdig": Warum die Kardiologie statt Herzchirurgie und Geriatrie statt Innere Medizin gewählt wurden, sei nicht nachvollziehbar. Denn gerade in der Herzchirurgie und der Inneren Medizin sei der unmittelbare Effekt zwischen mehr Personal und etwa einer Senkung der Mortalität besonders klar messbar. Bei knappen Personalressourcen sei es deshalb besonders wichtig, diese auf den richtigen Stationen einzusetzen. Zudem berge die geringe Anzahl von Fachabteilungen, für die es Pflegepersonaluntergrenzen geben soll, die Gefahr von Ausweicheffekten durch die Krankenhäuser. Insgesamt sei es aber vor allem wichtig, die Zahl der Krankenhäuser deutschlandweit zu reduzieren. "Wir haben viel zu viele Krankenhäuser", so Schreyögg.
Vdek-Leiterin Kathrin Herbst begrüßte die geplante Einführung von Pflegeuntergrenzen. Sie hob hervor, dass die Schere zwischen der Zahl der Pflegekräfte, der Mediziner und der Fälle in Hamburger Krankenhäusern immer weiter auseinandergehe. So stieg die Zahl der Ärzte zwischen 2006 und 2016 um rund 45 Prozent und die der Fälle auf hohem Niveau um 29 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Pflegekräfte in Hamburg jedoch
lediglich um 25 Prozent zu.
Hintergrund:
Die Verordnung soll zum 1. Oktober 2018 in Kraft treten und ist bis zum 31.12.2019 befristet. Dann soll das jüngst ebenfalls vom BMG auf den Weg gebrachte Pflegepersonalstärkungsgesetz greifen. Ab 2020 sollen für alle bettenführenden Stationen der Krankenhäuser Pflegepersonaluntergrenzen berechnet werden. Sie werden gebildet aus dem Verhältnis von eingesetztem Pflegepersonal und dem Pflegeaufwand. (Wir berichteten in unserem Newsletter Nr. 14 | 6. August 2018.)
(Quelle: bibliomed-pflege; Ärzteblatt; TK, vdek)
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