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WissenAmFreitag #64 – 10/03/2023
Hallo zusammen,
am vergangenen Mittwoch, den 08. März, zogen Demonstrant*innen am frühen Abend anlässlich des Weltfrauentags – in queerfeministischer Perspektive auch „Feministischer Kampftag“ genannt – durch die Innsbrucker Innenstadt. Auch ich entstaube jedes Jahr den alten Pizzakarton, den ich vor einer Ewigkeit zu einem Demoschild umfunktioniert habe, und schließe mich warm eingepackt dem bunten Demozug an.
Eine kurze Geschichte des 8. März
 
Der Frauentag wurde erstmal am 19. März 1911 auf Initiative der deutschen Sozialistin Klara Zetkin in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz gefeiert. Sieben Jahre führte die Forderung eines freien, geheimen und gleichen Wahlrechts für Frauen die Proteste an – am 12. November 1918 wurde es schließlich eingeführt. Zu Ehren der Rolle der Frauen für die Februarrevolution, die am 8. März 1917 durch einen Streik von Arbeiterinnen in St. Petersburg ins Rollen kam, wurde 1921 bei der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen der 8. März als Gedenktag gewählt. 1977 forderten die Vereinten Nationen alle Staaten dazu auf den 8. März zum Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden zu erklären.
Es gibt eine ganze Reihe an Gründen, die Feminist*innen jedes Jahr dazu bewegen, am 08. März auf die Straße zu gehen. Sie alle sammeln sich unter der Prämisse der Gleichberechtigung aller Geschlechter sowie der Ablehnung jeglicher Diskriminierung von Frauen und weiterer geschlechtlicher und sexueller Minderheiten. Viele dieser Gründe sind Ihnen sicher geläufig: In Österreich verdienten Frauen 2021 18,8% weniger als Männer (Gender Pay Gap), fast jede vierte Frau hat in ihrem Leben sexuelle und/oder körperliche Gewalt erlitten und Frauen leisten rund 2/3 der unbezahlten Haushalts- und Sorgearbeit (Gender Care Gap). Diese Aufzählung lässt sich beliebig fortführen – ich will sie allerdings an dieser Stelle beenden und stattdessen einen besonderen Fokus setzen!
Gleichberechtigung in der Digitalisierung
 
Das diesjährige UN-Motto zum Weltfrauentag lautet: DigitALL: Innovation and technology for gender equality. Durch die Unterrepräsentation von Frauen in technikbezogenen Laufbahnen und in der Entwicklung, Nutzung und Regulierung von Technologien sowie der spezifischen Gefährdung durch sexuelle Cyber-Belästigung und Gewalt werden die digitalen Handlungsoptionen von Frauen und das transformative Potential der Technologien selbst eingeschränkt. An der Uni Innsbruck wird der Zusammenhang zwischen Gender und Digitalisierung im Rahmen der Innsbrucker Gender Lectures aufgegriffen.
Die UN will mit dem diesjährigen Motto betonen, dass die Einbeziehung neuer Perspektiven durch die Förderung von Frauen im MINT-Bereich zu neuen kreativen Lösungen führen können, die für eine nachhaltige Zukunft dringend gebraucht werden. Um die Tech-Branche für Frauen attraktiv zu gestalten, gilt es gängige geschlechtsdifferenzierende Diskurse, die Frauen vermitteln, dass sie – salopp gesagt – in der Technik nichts zu suchen haben, zu bekämpfen und ein bedürfnisgerechtes Arbeitsumfeld zu schaffen. Entscheidend für dieses Vorhaben ist neben dem grundlegenden Abbau diskursiver Normierungen der weiblichen Geschlechtsidentität die Schaffung gleichberechtigter Bildungsmöglichkeiten – das gilt auch für Universitäten.
Gleichberechtigte Forschung
 
Die Universität Innsbruck verzeichnete im WS 2020/21 mit einem Anteil von knapp 53,2% tatsächlich mehr weibliche als männliche eingeschriebene Studierende auf alle Fächer gerechnet. Diese Verteilung trifft allerdings nicht auf die MINT-Fächer zu: Bezogen auf die Gesamtzahl der Studierenden in besagtem Wintersemester verzeichnete die Fakultät für Mathematik, Informatik und Physik nur einen Frauenanteil von 24%. Die Fakultät für Technische Wissenschaften liegt mit einem Anteil von 17% sogar noch darunter.
Bei Betrachtung der Geschlechterverhältnisse aller Studienabschlüsse zusammengenommen, fällt noch etwas anderes auf: Im WS 20/21 waren zwar 53,6% der Masterabsolvent*innen aber nur noch 36,6% der PhD/Doktoratsabsolvent*innen weiblich! Bei den MINT-Fächern ergibt sich ein ähnliches – aber entsprechend drastisches Bild – 24% der Absolventinnen eines Doktoratsstudium an der Fakultät für Mathematik, Informatik und Physik waren weiblich, an der Fakultät für Technische Wissenschaften haben in diesem Jahr nur Männer ein Doktoratsstudium abgeschlossen. Damit liegt die Universität Innsbruck im österreichweiten Vergleich übrigens im Durchschnitt.
An dieser Stelle sei betont, dass nicht nur Frauen, sondern auch Lesben, intersexuelle, non-binäre, trans-, agender und weitere Personen, die unter der Begriff FLINTA*summiert werden, in einem heteronormativen System benachteiligt werden. Um FLINTA* in der Wissenschaft und speziell in MINT-Fächern gleiche Chancen zu ermöglichen, bedarf es sowohl struktureller Maßnahmen als auch individueller Unterstützungsangebote. Die Universität Innsbruck hat in dem 2003 in Kraft getretenen Frauenförderungsplan verpflichtende Maßnahmen, die speziell auf die Förderung von Frauen abzielen, festgehalten. Diese bestehenden Förderungsmöglichkeiten gilt es stets lösungsorientiert zu modifizieren und zu erweitern.
Mein umfunktionierter Pizzakarton wartet übrigens wieder geduldig im Schrank auf seinen nächsten Einsatz. Darauf steht „Smash the Patriarchy“ – zu deutsch: „Nieder mit dem Patriarchat“ – und auf ihrem?
 
Lea Lübbert
Social-Media-Redakteurin im Kommunikationsteam
SEHEN: Kunsttherapie und Kinderanalyse nach Theresienstadt
 
Mit der Christoph-Probst-Lecture erinnert die Universität Innsbruck alljährlich an ihren kurzzeitigen Medizin-Studenten Christoph Probst. Er wurde in Innsbruck festgenommen und am 22. Februar 1943 in München-Stadelheim als Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gemeinsam mit den Geschwistern Scholl durch das NS-Regime hingerichtet. Iris Därmann sprach am Mittwoch in der 4. Christoph Probst-Lecture in der Aula der Universität über Kunsttherapie und Kinderanalyse nach Theresienstadt. Die Massentötung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen war der Kernbestand des deutschen Verbrechens gegen die Menschheit. „Etwa ein Viertel aller ermordeten Juden Europas waren Kinder. […] Von fast einer Million jüdischer Kinder im Alter bis zu 14 Jahren gab es am Kriegsende noch etwa 5.000“ (Kenkmann/Kohlhaas 2010, S. 139). Wie kann die Shoah from the children‘s point of view zugänglich gemacht werden? Im Vortrag ging es Iris Därmann darum zu zeigen, in welcher Weise Marie Paneth, die Pionierin der Kunsttherapie, und Anna Freud, die Pionierin der Kinderanalyse, 1945 den Blick auf die bis heute kaum beachtete Verfolgungs-, Erfahrungs-, Gefühls- und Bildgeschichte jüdischer Kinder mit ihren je eigenen Praktiken gemeinsamen Überlebens und einer radikalen Form von Geschwisterlichkeit richteten.
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